Partizipative Kunst im Herzen Floridsdorfs
2021 war ein bedeutendes Jahr für die Künstler:innen des Atelierhofs im Kulturankerzentrum Schlingermarkt. Sie realisierten zahlreiche gemeinwohlorientierte Kunstprojekte, die auf Teilhabe, Dialog und soziale Integration setzten. Mit direkter Beteiligung der Floridsdorfer Bevölkerung verwandelten sie ihren Stadtteil in eine offene Bühne für zeitgenössische Kunst.
PHILIPP MENTZINGEN – „GESICHTER FLORIDSDORF“
Philipp Mentzingen porträtierte 50 Menschen aus dem Umfeld des Schlingermarkts mit Kohle und Grafit auf Leinwand. Die Porträts wurden vor Ort im Atelierhof erstellt, wo jede:r Floridsdorfer:in willkommen war, Modell zu sitzen. Die entstandenen Werke wurden als Leihgabe an die Dargestellten übergeben. Geplant ist, dass alle Porträts zu einem späteren Zeitpunkt in einem „Temporary Contemporary Museum of Flodo“ ausgestellt werden. Dieses Museum entsteht in Kooperation mit der Soravia Group direkt hinter dem Schlingermarkt. Ziel ist es, Kunst als dauerhaften Teil des Alltags im Bezirk zu verankern. Das Projekt macht sichtbar, dass zeitgenössische Kunst nicht anonym oder elitär sein muss, sondern von und mit der lokalen Bevölkerung lebt.

KIERAN LIAM KELLETT – „ANAMORPHIC WORK 1210“
Kieran Liam Kellett sammelte Porträts von 20 bis 30 Floridsdorfer:innen unterschiedlicher Herkunft und Altersgruppen. Dieses Porträts wurde an markanten Orten wie dem Dr.-Franz-Koch-Hof, der Donauinsel, dem Schlingermarkt oder der Stammersdorfer Kellergasse aufgenommen. Die Bilder wurden anamorphotisch verzerrt und auf ein großflächiges, doppelseitiges Textil gedruckt. So entstand ein symbolisches Kunstwerk über die kollektive Identität des 21. Bezirks. Die besondere Technik der Anamorphose erlaubte es, das Bild nur aus einem bestimmten Blickwinkel korrekt zu sehen – eine Metapher für Perspektivenvielfalt und Zusammenleben. Die Installation machte Kunst niederschwellig im öffentlichen Raum zugänglich und regte Gespräche über Vielfalt und Herkunft an.

PIA LATTANZI – „GEMEINSAME MALAKTION AM SCHLINGERMARKT“
Pia Lattanzi lud Passant:innen, Markthändler:innen und Besucher:innen ein, gemeinsam auf einer großen Leinwand den Schlingermarkt aus der Vogelperspektive zu malen. Die Aktion fand direkt am Markt statt und alle konnten sich beteiligen – unabhängig von künstlerischer Vorerfahrung. Ziel war es, ein kollektives Bild des Marktes zu schaffen, das sowohl den Ist-Zustand als auch Visionen für die Zukunft einfängt. Am Ende wurde das Kunstwerk gemeinsam mit den Beteiligten feierlich präsentiert. Bei Speis und Trank von Marktständen entstand ein lebendiger Austausch über Kunst, Stadtentwicklung und Zusammenhalt. Das Projekt stärkte das Gefühl der Zugehörigkeit und förderte generationsübergreifende Teilhabe.

MARKUS RAFFETSEDER – „TAGTOOL AROUND THE SCHLINGERMARKT“
Markus Raffetseder brachte mit seinem mobilen Tagtool-Projekt Lichtkunst direkt auf die Stände des Schlingermarkts. Auf einem Lastenrad montiert, konnte er flexibel unterschiedliche Fassaden und Oberflächen bespielen. Die Live-Paintings wurden bei Einbruch der Dunkelheit zu bewegten Kunstwerken aus Licht und Farbe. Besucher:innen konnten den sich ständig verändernden Projektions-Parcours wie eine Ausstellung im Freien erleben. Zusätzlich öffnete das Atelier regelmäßig die Türen für Gespräche, Feiern und Einblicke in den künstlerischen Prozess. Das Projekt verwandelte den öffentlichen Raum in eine Bühne für digitale, interaktive Kunst und verband Technologie mit sozialer Begegnung.


JASMIN MADZIA – „WHAT’S ON THE LOOM?“
Jasmin Madzia lud mit einem tragbaren Webrahmen Besucher:innen des Markts dazu ein, aktiv an einem Gemeinschaftsgewebe mitzuwirken. Mitgebrachte Stoffreste, alte Kleidungsstücke und recycelbare Textilien wurden in ein wachsendes Gewebe eingearbeitet. Das Projekt machte das uralte Handwerk des Webens zu einem sozialen Akt der Kommunikation. Durch das gemeinsame Arbeiten entstand ein temporärer Treffpunkt, an dem Geschichten, Materialien und Kulturen verwoben wurden. Das Ergebnis war ein kollektives Textilkunstwerk, das sowohl individuelle als auch gemeinschaftliche Ausdrucksformen sichtbar machte.

JULIAN JANKOVIC – „FUN-PLASTIC PICTURE“
Julian Jankovic arbeitete mit Schulklassen in Floridsdorf, um ein riesiges Mosaik aus recycelten Plastikstöpseln zu gestalten. Die Kinder sammelten farbige Stöpsel über mehrere Wochen hinweg und lernten dabei auch über Recycling, Materialkunde und Umweltbewusstsein. Jede Klasse produzierte eine eigene Platte, die später zu einem großformatigen Wandbild zusammengefügt wurde. Das Projekt verband Theorie und Praxis auf kreative Weise und regte zur Reflexion über Konsumverhalten an. Das fertige Kunstwerk wurde sowohl öffentlich präsentiert als auch für ein Jahr in der Schule installiert – als sichtbares Zeichen für nachhaltiges Denken.

ANDREAS NADER – „SIEBDRUCK MIT DEN SCHLINGER-KIDS“
An mehreren Wochenenden bot Andreas Nader Siebdruck-Workshops für Kinder und Familien direkt am Schlingermarkt an. Bedruckt wurden Bio-Stoffsackerl, die anschließend zum Einkaufen genutzt werden konnten. Dabei konnten die Kinder selbst Motive entwerfen und Ideen für das fiktive Marktwesen „Flodo“ einbringen. Die besten Entwürfe wurden in Schaufenstern und Partnergeschäften ausgestellt. Der Workshop-Stand diente außerdem als Infopoint für weitere Kunstprojekte. Das Projekt vermittelte auf spielerische Weise nachhaltiges Handeln und künstlerische Selbstwirksamkeit im Alltag.
MIRKO BANDINI – „PUBLIC RELATIONS“
Mirko Bandini verwandelte sein Atelier in eine gastfreundliche Begegnungszone. Bei regelmäßig stattfindenden Open Studio Days kombinierte er Malerei, Gespräche und kulinarische Genüsse. Besucher:innen konnten bei einem Glas Wein, Kaffee oder regionalen Köstlichkeiten Kunst erleben und direkt mit dem Künstler ins Gespräch kommen. So entstand ein Raum für informellen, aber intensiven Austausch über Kunst, Leben und das Miteinander im Grätzl. Die Offenheit der Veranstaltungen zog unterschiedlichste Menschen an – vom neugierigen Passanten bis zur Kunstliebhaberin.
MICHAELA PUTZ & BETTINA EIGNER – „WUNDERKAMMER VON ALT & JUNG IN FLORIDSDORF“
Die Künstlerinnen sammelten über mehrere Wochen hinweg Objekte und Geschichten von jungen und alten Floridsdorfer:innen. Ob aus Altersheimen, Pfadfindergruppen, vom Markt oder aus der Natur – jedes Objekt trug eine persönliche Erinnerung in sich. Die Sammlung wurde fotografisch und erzählerisch dokumentiert und in Form einer „Wunderkammer“ präsentiert. Die Idee: Objekte verbinden Menschen über Generationen hinweg, besonders in Zeiten eingeschränkter direkter Begegnung. Das Projekt regte dazu an, über Dinge zu sprechen, die uns geprägt haben, und über deren Bedeutung im Alltag nachzudenken.